Verbraucherzentrale Bayern: überhöhte Krankenkassen-Beitragsforderungen bei Selbstständigen

News-Artikel vom: 27.07.2023

Laut einer Mitteilung der Verbraucherzentrale Bayern melden sich seit Jahresbeginn vermehrt Selbständige, die mit hohen Beitragsnachforderungen ihrer Krankenkassen konfrontiert sind. Es handelt sich durchweg um Kleinselbständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind. In vielen Fällen wird von den Krankenkassen der Höchstbeitrag von rund 900 Euro monatlich gefordert. Nachforderungen summieren sich auf bis zu 8.000 Euro. Die Verbraucherzentralen bewerten diese Betragsforderungen als völlig überzogen und halten die Vorgehensweise für rechtswidrig. Eine gesetzliche Klarstellung wird angemahnt.
 

Anlass für die Nachforderungen sind versäumte Einreichungen von Einkommensteuerbescheiden durch die Versicherten. Gemäß § 240 Absatz 4a SGB V haben freiwillig Versicherte in der GKV drei Jahre lang Zeit, ihrer Krankenkasse die für die Beitragsberechnung zugrunde zu legenden Einkommensteuerbescheide einzureichen. Wird diese Frist versäumt, kann die Krankenkasse einen Beitrag festsetzen, der sich - unbeschadet der tatsächlichen Einkommensverhältnisse - am Höchstbeitrag in der GKV orientiert. Insofern stützt sich das Vorgehen der Krankenkassen auf eine gesetzliche Grundlage. Sowohl der GKV-Spitzenverband als auch das für die Aufsicht zuständige Bundesamt für soziale Sicherung sehen die Beitragsforderungen daher als durch den Buchstaben des Gesetzes gedeckt an.
 

Wortlaut des Gesetzes nicht alleine maßgebend für Beitragsforderungen 

Die Verbraucherzentralen beurteilen die Rechtslage anders. Die Regelung in § 240 Absatz 4a SGB V sei keine Norm, die Krankenkassen Beitragserhebungen völlig losgelöst vom jeweiligen Einkommen erlaube. Eine solche Härte sei vom Gesetzgeber sicher nicht beabsichtigt gewesen, sonst hätte der Gesetzestext anders formuliert werden müssen. Es könne auch nicht angehen, dass nachträglich im Widerspruchsverfahren eingereichte Unterlagen von Krankenkassen wegen der Fristüberschreitung nicht mehr berücksichtigt würden. Wenn im Rahmen der Beitragsforderung neue Tatsachen bekannt würden, seien diese mit in die Beitragserhebung einzubeziehen. Bei Entscheidungen im Sozialrecht gehe „Richtigkeit“ vor „Fristwahrung“.

Auf eine Klärung der Rechtslage durch die Gerichte zu hoffen, hilft allerdings aus Sicht der Verbraucherzentralen nicht weiter. Bis rechtskräftige Urteile gefällt würden, könnten Jahre vergehen. Während dieser Zeit müssten die Betroffenen weiterhin mit hohen Beitragsforderungen rechnen. In vielen Fällen seien sie damit finanziell überfordert. Bei manchem Kleinselbständigen erreichten die Einnahmen nicht einmal den geforderten Beitrag. Deshalb wird von Seiten der Verbraucherschützer eine rasche klarstellende gesetzliche Regelung zugunsten der Versicherten gefordert.
 

Besonderheiten bei Krankenkassenbeiträgen von Selbständigen 

Beitragspflichten von Selbständigen, die freiwillig gesetzlich krankenversichert sind, waren bereits in der Vergangenheit Gegenstand von Kritik wegen „überhöhter“ Beträge. Anders als Arbeitnehmer müssen Selbständige die Beiträge zu hundert Prozent selbst zahlen. Dabei werden neben den Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit auch andere Einkünfte (Einkommen aus Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkünfte usw.) zur Beitragsbemessung herangezogen - allerdings nur bis zu einem Betrag von 4.987,50 Euro p.a.. Die monatliche Mindestbemessungsgrundlage für die Beitragserhebung liegt bei 1.131,67 Euro. Sie war durch das Versichertenentlastungsgesetz 2019 mehr als halbiert worden und hatte vorher bei 2.283,75 Euro gelegen. Viele Selbständige erreichten bzw. erreichen dieses Mindesteinkommen nicht.

 

 

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